Von einer Win-Win-Situation wird gern gesprochen, ob es dann wirklich so ist, dass alle Seiten einen Vorteil haben, ist oft fraglich. Bei der Kooperationsvereinbarung, die der Caritasverband im Tauberkreis e.V. mit der Michael Weinig AG getroffen hat, ist das unzweifelhaft der Fall – man kann sogar von einer Win-Win-Win-Situation sprechen.
Worum geht es? Auszubildende der Firma Weinig bekommen die Möglichkeit, für einen Zeitraum von vier bis sechs Wochen als Praktikanten in der Caritas-Werkstätte für Menschen mit Behinderung in Tauberbischofsheim mitzuarbeiten. Wie Uwe Reinhart, verantwortlicher Ausbilder für die Elektro-Ausbildung bei Weinig, erklärt, ist das Angebot freiwillig und betrifft angehende Elektroniker und Mechatroniker. Der Mehrwert, den die jungen Leute davon haben, hat zwei Seiten: „Es geht hier um Sozialkompetenz und fachliches Wissen“, erklärt Reinhart und führt das aus: „Unsere Auszubildenden lernen als Kollegen hier Menschen kennen, denen es schlechter geht. Sie erleben das und schauen mit mehr Zufriedenheit auf ihr eigenes Leben, wissen ihre eigene Situation mehr zu schätzen. Aber es geht auch um fachliches Wissen. Die Auszubildenden arbeiten hier im Schaltschrankbau an Weinig-Maschinen und bekommen so zusätzliches Knowhow.“
Hohes Niveau
Die Kooperation zwischen Weinig und Caritasverband hat in der Tat eine langjährige Geschichte. In den Werkstätten wird auf qualitativ hohem Niveau für verschiedene Unternehmen gefertigt, dabei auch seit vielen Jahren für die Weinig AG - beispielsweise im Schaltschrankbau. Diese Fertigungsschritte für Weinig-Produkte können die „ausgeliehenen“ Praktikanten nun selbst kennen lernen – an der Seite der Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen, die diese Arbeiten in der Werkstätte in der St.Ullrich-Straße in Tauberbischofsheim verrichten.
Bereicherung
Dietmar Winkler, Leiter der Caritas-Werkstätte, kann der Azubi-Aktion auch nur Gutes abgewinnen: „Wir öffnen damit die Werkstatttüren für die Allgemeinheit. Die Auszubildenden sehen, dass hier trotz der Einschränkungen eine ordentliche Leistung gebracht wird. Die jungen Leute von Weinig sind auch bei den arbeitsbegleitenden Maßnahmen - Ausflügen, Festen – mit von der Partie, gehören zur Gemeinschaft.“ Auch für seinen eigenen Erfahrungshorizont und den anderer betreuender Werkstatt-Fachkräfte ist die Mitarbeit der Weinig-Azubis eine Bereicherung: „Das hält jung, man erlebt den Wandel der Zeit, und auch fachlich bleibt man up to date, wächst mit den Produkten mit“, erklärt der gelernte Energieanlagen-Elektroniker.
Neue Erfahrung
Und was meinen die Azubis selbst? Jan-Philip Kempf, mittlerweile im dritten Lehrjahr, berichtet gern von seiner Praktikumszeit in der Werkstätte – für ihn ist das Ganze offensichtlich eine ganz normale Sache: „Das ist einfach eine neue Erfahrung gewesen. Für mich war vor allem interessant, wie das da abläuft und wie diese Arbeiten da gemacht werden.“ Uwe Reinhart kann bestätigen, dass die Azubis, die dieses Praktikum bereits gemacht haben, positiv davon berichtet haben – und darauf gedrungen haben, die Praktikumszeit fortzusetzen, wenn sie aus betrieblichen Gründen unterbrochen worden war.
Schlüsselqualifikation
Hochzufrieden haben er und Jutta Steinmetz-Thees, die Bereichsleiterin Arbeiten beim Caritasverband, also den Kooperationsvertrag unterzeichnet, der diesen weiteren Schritt einer langjährigen, guten Zusammenarbeit formal besiegelt. Steinmetz-Thees ordnet die Praktikums-Aktion in einen großen Zusammenhang ein: „Das ist gelebte Inklusion und passt sehr gut in die Zeit. Mit dem neuen Bundesteilhabegesetz wird auch der Integration von Menschen mit Behinderung ein anderer Stellenwert eingeräumt. Mit dieser Kooperation mit Weinig sind wir auf dem richtigen Weg. Denn ganz konkret werden neben technischen Kompetenzen auch Schlüsselqualifikationen wie Kommunikation und Kooperation, Selbstständigkeit und Verantwortung erworben. Und das Praktikum fördert Kompetenzen im Bereich der Reflexion, Selbststärke, Konfliktbewältigung, Solidaritätsfähigkeit, Handlungsorientierung und Entscheidungsfähigkeit im Umgang mit beeinträchtigten Menschen. Das ist eine Menge!“